#3 Dem Neuen ein Gesicht geben
Shownotes
In dieser Folge steigen wir ein in den geschichtlichen Kontext der Industrie- bzw. Maschinenzeitalters. Eine Zeit der disruptiven Veränderung – ähnlich wie unsere Zeit, das Digitalzeitalter. Veränderung, das macht Menschen Angst; Design ist in der Lage, den Menschen Antworten zu liefern, welche Bedeutung die technische Innovation, das „Neue“, in ihrem Leben hat. Design gibt dem Neuen ein Gesicht – wie, das erfahrt Ihr in dieser Folge.
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#3 Dem Neuen ein Gesicht geben
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Weißt du, eigentlich kann man diese Vorlesung „Designtheorie“ auch betrachten als einen Optikerladen mit einer ganzen Sammlung von verschiedenen Brillen. In jeder Folge setzen wir eine neue Brille auf. Und jedesmal verändert das deinen Blick auf die Welt. Erinnere dich an letztesmal, da haben wir die Semiotik-Brille aufgehabt. Eine Art Augmented-Reality-Brille, die hinter jedem Wort, jedem Zeichen, jedem Ding vor deinen Augen die unsichtbare Ebene des semiotischen Dreiecks sichtbar gemacht hat.
Weißt du, ich glaube, das Wissen, das man in der Schule oder im Studium auswendig lernt, das hat man wieder ganz schnell vergessen. Man kann es ja auch einfach wieder googlen, wenn man es wieder braucht. Aber solche „Brillen“, die kann man nicht googlen. Die eignest du dir in diesem Studium an, hast sie von jetzt ab im Gepäck, kannst sie jederzeit hervorholen und dir auf die Nase setzen. Sie verleihen dir einen neuen Blick auf die Welt.
Uuuh, und jetzt pass auf: Heute setzen wir uns wieder eine ganz neue Augmented Reality Brille auf. Und zwar eine, die die Zeit sichtbar macht! Wenn du deinen Blick mit dieser Brille auf der Nase auf einen Gegenstand richtest, passiert etwas ganz absonderliches: du siehst auf einmal, dass es nie der Gegenstand alleine ist, den du da vor dir siehst. Sondern, dass sich hinter jedem Gegenstand eine ganze Kette von Ereignissen, eine Geschichte, auffächert.
Mit dieser Brille siehst du, dass das für alles in dieser Welt gilt: jeder Gedanke, jede Idee, jeder anfassbare Gegenstand, hat eine Geschichte. So, wie die Dinge in der Gegenwart vor deinem Auge erscheinen, sind sie in Wirklichkeit nur eine Markierung auf einem endlosen Zeitstrahl – und an der Markierung steht, wie auf einer Landkarte, „You are here“ – deine Position in der Zeit, die jetzt gerade Gegenwart ist. Alles, was du heute um dich herum siehst (inklusive dir, deine Klamotten, dein Smartphone, deine Möbel, Medien und Gebrauchsgegenstände) ist nur ein aktueller Zwischenzustand, ein vorläufiges Ergebnis dieser tief in die Vergangenheit reichenden Kette. Nichts, was dich umgibt, ist schon immer unverändert da gewesen. Alles hat irgendwann einmal angefangen und sich immer weiter verändert. Das gilt auch für unsere Profession, Design. Design ist eine Denkweise, die das Ergebnis einer ganz bestimmten Zeit ist. Diese Zeit ist das Industriezeitalter, oder auch genannt, das Maschinenzeitalter. Eine Zeit enormer Veränderung innerhalb kürzester Zeit, die das Leben und die Arbeit der Menschen von Grund auf verändert hat. Für mich ist die deshalb auch immer ein Spiegel unserer Zeit heute, dem Digitalzeitalter, mit allem, was uns auch unsere Zeit an disruptiver Veränderung aufbürdet. Das Gefühl, dass sich alles, alles ändert, innerhalb weniger Jahre.
Mit dieser Brille siehst du, dass das für alles in dieser Welt gilt: 3.1. Der Takt der Moderne
Weißt du, „Industrielle Revolution“, das liest sich so phrasenartig in den Geschichtsbüchern. Ich glaube man muss sich echt mal vorstellen, wie sich der Umbruch, den unsere Urgroßeltern erlebt haben, angefühlt hat. Ich wollte es herausfinden, hab mal eine Zeit lang Ahnenforschung betrieben und kann dir das am Beispiel meines Urgroßvaters Oskar erzählen. Jahrhunderte lang hatte seine Sippe, die Peglows, in einem winzigen Dorf weit im Osten gelebt, in Hinterpommern, direkt an der Ostsee. Jahrhunderte lang hatten die Peglows als Bauern und Handwerker gearbeitet, im Rhythmus der Jahres-, Tag- und Nachtzeiten. Über Generationen blieben sie an einem Ort: da wurden sie geboren, heirateten in der Kirche im Nachbardorf, arbeiteten ihr ganzes Leben und starben dort. In diesen dünn besiedelten, endlosen, ostelbischen Provinzen war die Zeit irgendwie stehengeblieben. Die große Umwälzung der Lebens- und Arbeitswelt fand in den Metropolen und Städten statt, mit der Erfindung der Maschinen – dort konzentrierten sich Fabriken, Arbeitskraft und Wohnraum. Oskar machte es so wie es viele machten in dieser Zeit: er verließ sein Dorf und ging 1879, einige Jahre nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs, als 19-jähriger dahin, wo die Arbeit war: in die gerade neu entstehende Industriemetropole, in den Moloch, in die glitzernde, dampfende und laute Stadt: nach Berlin.
Diese Stadt wächst in dieser Zeit innerhalb weniger Jahre ungefähr ums doppelte, an Fläche und Einwohnerzahl! Das muss man sich mal vorstellen, die ganze Stadt ist Baustelle, mit der stampfenden dampfbetriebenen Eisenbahn werden auf dem neu gebauten Schienennetz und geschleust durch die vielen neu gebauten Berliner Bahnhöfe jeden Tag Tausende Zuzügler in die Stadt gekarrt, die sich sofort in improvisierten Quartieren ansiedeln, unter schlechten hygienischen Bedingungen. Überall schießen Fabriken aus dem Boden wie Pilze: Borsig, AEG, Siemens & Halske, genauso wie Bürogebäude, Kaufhallen, Messen, Ausstellungshallen und Hotels. In diesem Stadtmoloch nimmt der Bedarf an Kommunikation sprunghaft zu: überall in der Stadt hängen Reklameposter, Zeitungsjungen liefern mehrmals am Tag die neuesten Neuigkeiten. Mit der Fotografie wurde eine neue Ausdrucksform entwickelt, die das neue, urbane Lebensgefühl transportierte; Typografie, wie die 1821 von Robert Thorne entworfenen „Fetten Buchstaben“ für Poster, Anzeigen und Werbung, bekam im industriellen Zeitalter neue Aufgaben, als sie als schriftlicher Informationsträger zuvor im Buchdruck gehabt hatte. Die Nacht, die seit Menschengedenken immer dunkel war, wird auf einmal mit 1000 Glühbirnen erhellt, eine Art „Elektropolis“. Überall werden Stadtquartiere und flächendeckende Bebauung aus dem Boden gestampft, um die Menschenmassen, die ehemaligen Bauern, Handwerker und Tagelöhner, irgendwo unterzubringen – „Das steinerne Berlin“ entsteht, wie es ein Klassiker der Stadtplanungskritik von Werner Hegemann aus dem Jahr 1930 nennt. In einem dieser Stadtteile, die damals entstehen, landet auch Oskar: in Kreuzberg.
Diese Stadt wächst in dieser Zeit innerhalb weniger Jahre ungefähr ums doppelte, an Fläche und Einwohnerzahl! Das muss man sich mal vorstellen, die ganze Stadt ist Baustelle, mit der stampfenden dampfbetriebenen Eisenbahn werden auf dem neu gebauten Schienennetz und geschleust durch die vielen neu gebauten Berliner Bahnhöfe jeden Tag Tausende Zuzügler in die Stadt gekarrt, die sich sofort in improvisierten Quartieren ansiedeln, unter schlechten hygienischen Bedingungen. Überall schießen Fabriken aus dem Boden wie Pilze: 3.2. Der Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Design
Das Leben der Menschen veränderte sich damals in allen Bereichen sprunghaft, innerhalb weniger Jahre: in der Mobilität, Energieversorgung, Elektrotechnik, Kommunikation, Stadtplanung & Architektur etc.
Mobilität: 1835 fährt die erste Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth
Kommunikation: 1876 führt Alexander Bell das erste Telefongespräch der Welt
Elektrotechnik: 1879 führt Berlin die elektrische Straßenbeleuchtung ein, 1882 wird in New York das erste „Kraftwerk“ eröffnet
Bauingenieurstum: Stahlbeton und Baustahl machen’s möglich: 1884 wird der erste Wolkenkratzer in Chicago, 1887 der Eiffelturm erbaut
Automobilindustrie: 1886 meldet Carl Benz das Patent für das weltweit erste „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ an.
Automobilindustrie: Wir meinen heute, dass wir in einer Zeit noch nie dagewesener technologischer Fortschritte und Entwicklungen leben, wir diskutieren über weltweite Vernetzung, Social Media, VR und KI. Die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts, die Wucht der Veränderungen, die technischen Innovationen, die damals die Städte und das Leben der Menschen erfasste, stellte aber eine vielleicht noch umwälzendere Veränderung dar als das, was wir heute Digitalisierung oder digitale Transformation nennen.
Genauso wie die eben aufgelisteten Innovationen den Ausbau der Metropolen vorantrieben, ermöglichten neue Fertigungstechniken den Beginn der Massenproduktion von Waren und Gütern. Und dies lieferte auch die Grundlage für unsere Profession: Design.
Design ist ganz ursächlich auf zwei Arten untrennbar mit dem Industriezeitalter verbunden. Zum einen lieferten die technologischen Innovationen selbst die „Triebfeder des Designs“. Beat Schneider beschreibt dies in seinem Standardwerk „Design – Eine Einführung. Entwurf im sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontext“ so:
Design ist ganz ursächlich auf zwei Arten untrennbar mit dem Industriezeitalter verbunden. Zum einen lieferten die technologischen Innovationen selbst die „Triebfeder des Designs“. Beat Schneider beschreibt dies in seinem Standardwerk „Design – Eine Einführung. Entwurf im sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontext“ so: „Nachdem durch die Mechanisierung der Produktion die Grundlage für die moderne Entwurfstätigkeit einmal gelegt worden war, gab es in der technologischen Entwicklung immer wieder Innovationsphasen, welche die Triebfeder für eine schubartige Entfaltung des Designs waren. Grundlage war das Aufkommen und die Nutzung von neuen Leittechnologien. Eine solche Phase war die Mechanisierung des Maschinenbaus in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Die mechanische Herstellung von Maschinen für die Produktion von Gebrauchsgegenständen und Druckmaschinen sorgte für eine große Ausdehnung der Entwurfstätigkeit im Bereich des Produkt- und Grafik Design.“
Zum anderen jedoch gab es auch eine systemisch angelegte, wirtschaftliche Triebfeder des Designs. Beat Schneider beschreibt diese so:
Zum anderen jedoch gab es auch eine systemisch angelegte, wirtschaftliche Triebfeder des Designs. Beat Schneider beschreibt diese so: „Die wirtschaftliche Triebfeder des industriellen Designs, der Gestaltung von seriengefertigten und deshalb standardisierten Industrieprodukten, liegt im kapitalistischen Prinzip des Wirtschaftens.
Zum anderen jedoch gab es auch eine systemisch angelegte, wirtschaftliche Triebfeder des Designs. Beat Schneider beschreibt diese so: (…)
Zum anderen jedoch gab es auch eine systemisch angelegte, wirtschaftliche Triebfeder des Designs. Beat Schneider beschreibt diese so: Die Massenproduktion, also die Serienfertigung von standardisierten und günstigen Produkten, gehört zum Wesen des Kapitals. Sie ist der Grund für die Entstehung der Massenkultur. Um die Konsumentinnen dazu zu bringen, immer neue Gebrauchsgüter in Warenform zu kaufen, müssen die Güter nicht nur einen Zweck erfüllen, sondern verlockend und attraktiv gestaltet werden und sich von Konkurrenzprodukten positiv unterscheiden. Die am Verkauf orientierte Industrie hat deshalb sehr rasch die großen Möglichkeiten erkannt, welche die Gestaltung für eine wirksame Verkaufssteigerung bieten kann. Denn die Industrieprodukte erhalten durch immer neue Gestaltung der äußeren Form wirksame Anreize zum Kauf, ohne dass damit zugleich eine Verbesserung des Gebrauchswerts verbunden wäre. Hier liegt der Ursprung des Produktdesigns, eines Großteils des Grafikdesigns und des im 20. Jahrhundert entwickelten Corporate Designs.“
Du siehst also, dass Design in seinen modernen Disziplinen auf doppelte Art und Weise mit der Industrialisierung eng verflochten ist: es wurde möglich durch die technischen Möglichkeiten der Industrialisierung, und es wurde gebraucht, um die neu entstandenen industriell gefertigten Produkte mit Begehrlichkeit und einem Innovations- und Neuheitswert auszustatten, damit sie Käufer fanden.
Du siehst also, dass Design in seinen modernen Disziplinen auf doppelte Art und Weise mit der Industrialisierung eng verflochten ist: 3.3. Wie geht man mit dem Neuen um?
Die Jahrhundertwende war eine Zeit, in der sich alles, alles änderte, und das innerhalb kürzester Zeit. Diese Veränderung schlug sich unterschiedlich nieder: Für diejenigen, die direkt am Wandel beteiligt waren, ihn vorantrieben und von ihm profitierten, war diese Zeit von einer extrem optimistischen Aufbruchsstimmung und wahren Technikbegeisterung geprägt. Für andere jedoch bedeuteten diese Veränderungen auch viel Verwirrung und Desorientierung. Denn für viele Menschen wird Veränderung als eine Bedrohung wahrgenommen, ein Verlust des Sicherheitsgefühls und der Destabilität. In Zeiten der Veränderung gibt es also natürlicherweise ein Gerangel, wie mit dieser Veränderung und neuen Anforderungen umzugehen ist. Auch hierin sehe ich eine deutliche Parallele zu unserer Zeit. Es gibt nur ein bestimmtes Volumen an Wandel, das der einzelne Mensch, aber auch die Gesellschaft, aufnehmen und verarbeiten kann.
Deshalb möchte ich zu den oben genannten technologischen und wirtschaftlichen Triebfedern, die Design ursächlich mit der Industrialisierung verknüpfen, noch einen weiteren Aspekt hinzufügen, der eher auf der soziologischen Ebene angesiedelt ist. Denn die vielen Neuerungen warfen natürlich Fragen auf. Die Menschen wollen wissen, was das alles denn zu bedeuten habe. Wer sollte ihnen Antworten liefern? In diesem Zuge entstand eine weitere Triebfeder, die eher auf der Ebene der Bedeutung bzw. Zeichen anzusiedeln ist. Spätestens da müsste es bei dir klingeln, denn darüber haben wir in der letzten Folge gehört: richtig, dies ist eine eher semiotische Triebfeder, die Design mit der Industrialisierung verknüpft.
Denn eine weitere wichtige Aufgabe von Design war, den Menschen das „Neue“, das „Innovative“, die „Veränderung“ zu erklären, wie sie damit umgehen konnten und welche Bedeutung es für sie haben sollte. Das hat ganz viel mit den „Mythen“ von Roland Barthes zu tun, wenn du dich erinnerst: Design, also die Produkt- und Formensprache, die Machart, die Materialien entwerfen das Narrativ, welche Bedeutung das innovative Produkt in deinem Leben spielt. Ganz nach Roland Barthes werd ich sie hier „Mythos“ nennen.
Ich werd dir hier vier unterschiedliche Mythos-Kategorien aufzeigen, wie Design das innovative Produkt mit Bedeutung aufladen kann, um den Menschen die Veränderungen zu erklären:
Super-Innovation: Dieser Mythos feiert die Technikbegeisterung und ruft dazu auf, ihr mit wehenden Fahnen zu folgen. Im Design wird hier das Neue gefeiert, durch eine Betonung der industriellen Fertigung. Ein Beispiel, das du gleich mal parallel in der Google Bildsuche suchen kannst, ist der Thonet Stuhl Nr. 14 von 1859. „Thonet gelang es, neue produktionstechnische Verfahren im Möbelbau zu nutzen, die auch zu neuen einfachen Formen führten. Er kaschierte die industrielle Herstellungsweise der Möbel nicht, sondern machte sie zum Prinzip der Formgebung und entwickelte ein Verfahren, um massive Buchenholzstücke unter Dampfeinwirkung in geschwungene Formen zu biegen. Der Thonet-Stuhl Nr. 14 wurde zum Inbegriff des Bugholzstuhls und Prototyp moderner Massenmöbel. Bis heute wurde er über 100 Millionen Mal verkauft.“
Romantische Regression: Vom Zukunftsforscher Matthias Horx stammt das Prinzip, dass jeder Trend einen Gegentrend hervorbringt. Es ist also nur logisch, dass die industrielle Revolution eine starke, romantisch geprägte Gegenbewegung hervorbrachte, die der totalen Verweigerung. Die englische Arts&Crafts-Bewegung verkörperte genau diesen Mythos. Sie wandte sich gegen die maschinelle Massenfertigung, beklagte den Verlust der künstlerischen Qualität, und forderte im Gegenzug eine Rückkehr zur alten Handwerkskunst. Die bekannteste Leitfigur dieser theoretischen Debatte um Kunst und Industrie war – Achtung Namedrop – William Morris (lies am besten mal seinen Wikipedia-Eintrag und versuche zwischen all den gesponserten Stuhl-Anzeigen seine Möbelentwürfe aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zu finden). Er erinnerte daran, dass „einst jedermann, der ein Ding machte, es als Kunstwerk und zugleich als nutzbares Hausgerät schuf, während heute nur sehr wenige Dinge auch nur den geringsten Anspruch darauf haben, als Kunstwerk angesehen zu werden.“ Morris wurde zum Begründer der ersten sozialen Theorie des Designs. Er stellte die These auf, dass vor allem die Lebensbedingungen der Menschen geändert werden müssen, um ihren Sinn für Schönheit und ihr Verständnis für die Kunst zu wecken.
Brücken-Metapher: Eine sehr erfolgreiche Mythosbildung des Designs ist, den Menschen die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen, indem man ihnen eine bekannte Metapher erzählt, ein Bild, das ihnen wohlvertraut ist. Die Metapher baut gewissermaßen eine Brücke zwischen dem Bekannten und dem Unbekannten, deshalb nenne ich sie „Brücken-Metapher“.Zugegebenermaßen kann man manchmal nicht genau sagen, ob die Designer diese Brücke selbst brauchen um sich das neue begreiflich zu machen. Aber ob für sich selbst und die breite Öffentlichkeit: es ist sicherlich eine gute Brücken-Metapher und ein Erklärungsversuch der Designer, dass die ersten Automobile stark an Kutschen erinnerten (siehe hierzu Carl Benz, Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb, 1886). Um den Menschen die Angst vor der rumpelnden, stinkenden und knatternden Höllenmaschine zu nehmen, verwendete man stattdessen eine Metapher, die sie gut kannten und die ihren Sehgewohnheiten eines vertrauten Straßenbilds entsprach.Eine der bekanntesten Mythen, die näher an unserer Zeit, in den Anfängen des Computerzeitalters, liegen, ist die sogenannte „Desktop Metapher“: bis heute arbeiten wir an unseren Computern auf einer Umgebung, die einen Schreibtisch aus der echten Welt zitiert. Die Desktop Metapher wurde erstmals 1970 von Alan Kay, David C. Smith und anderen im Forschungs- und Innovation Lab bei Xerox PARC entwickelt. Diese geniale Metapher hat für alle Zeiten die Art und Weise geprägt, wie wir in der digitalen Welt arbeiten.
Du siehst, wie eng Design und Industrialisierung miteinander verwoben sind: technisch, wirtschaftlich und semiotisch. Design ist in der Lage, den Menschen die Angst vor dem Neuen, Unbekannten zu nehmen, indem es ihnen einen Mythos vorschlägt, eine Bedeutung, die das Neue in ihrem Leben einnehmen kann.
3.4. Rechercheaufgabe: Wie geht man mit dem Neuen um? Finde Äquivalente in unserer Zeit
Ich hatte ja schon mehrmals gesagt, dass ich viele Parallelen sehe zwischen dem Industriezeitalter und dem Digitalzeitalter, zwischen der industriellen Revolution und der digitalen Transformation. Auch unsere Zeit ist eine Zeit, in der eine technologische Innovation die nächste jagt, in der diese Innovationen tiefgreifende Veränderungen in der Arbeitswelt und im Leben der Menschen hervorrufen. Wie im Industriezeitalter lösen diese technologischen Innovationen damit große Kettenreaktionen in anderen Bereichen aus: im Städtebau, in der Energieversorgung, in der Psychologie, in der Kommunikation, in der soziologischen Struktur unserer Gesellschaft. Design hat auch hier die Fähigkeit, Narrative anzubieten und Mythen zu entwickeln, die den Menschen diese Veränderung auf die ein oder andere Art näher bringt: Durch den Mythos der Super-Innovation, durch die Gegenbewegung der Romantischen Regression oder eine Brücken-Metapher.
Die Aufgabe lautet jetzt: Finde Beispiele der Gegenwart, wie Design jeweils Deutungsversuche und Mythen liefert auf technologische Innovationen oder andere große Umwälzungen. Verwende dabei die hier genannten Beispiele und versuche sie einer der vier genannten Mythos-Kategorien zuzuordnen: BMW i3, Tesla Cybertruck, MINI Cooper, der Handmade/-DIY Trend, den Beef/Dry Aged-Hype, das Hotel Burj Al Arab, Trachten auf dem Oktoberfest, Arcane, Oatley, 3PO aus Star Wars, die Computer-Maus.
Die Aufgabe lautet jetzt: Ich bin gespannt was Ihr herausfinden werdet und freue mich auf Eure Recherche-Ergebnisse.
Die Aufgabe lautet jetzt: Bis später!
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